Seit Monaten marschieren in Dresden die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (PEGIDA). Seit her schließen sich mehrere Tausend Menschen den montäglichen „Spaziergängen“ an. Zudem wird in den Medien und der Politik intensiv über den Umgang mit diesem neuen Phänomen diskutiert. In Köln gab es seit Ende des Jahres 2014 PEGIDA, die sich hier unter dem Namen KÖGIDA („Köln gegen die Islamisierung des Abendlandes“) darstellten. Am 5. Januar 2015 rief KÖGIDA zum ersten Mal zu einer Demonstration in Köln auf. Während in der sächsischen Hauptstadt Neonazis darum bemüht waren, Anschluss an die PEGIDA-Anhänger/innen zu finden, wurden die Aktivitäten im Rheinland bereits von Akteuren bestimmt, die vornehmlich aus dem Spektrum der organisierten Rechten bzw. aus altbekannten rechtspopulistischen Gruppierungen stammen.
Angaben zu den Hintergründen von PEGIDA lassen sich bislang nur wenige machen: Nach Auskünften des Erfinders Lutz Bachmann ging PEGIDA aus einer von ihm initiierten Facebook-Gruppe hervor. Die Aktivitäten der Initiative, die seit Oktober 2014 in Dresden immer mehr Menschen zu ihren wöchentlichen Demonstrationen (von den Veranstalter/innen „Abendspaziergänge“ genannt) anlocken konnte, werden angeblich von einem zwölfköpfigen Organisationsteam koordiniert. Inzwischen ist PEGIDA ein eingetragener Verein. Lokale Initiativen existieren u.a. in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Mitunter gab es jedoch heftige Auseinandersetzungen darum, wer sich als Teil von PEGIDA bezeichnen darf. In NRW bestanden/bestehen bislang Ableger in Düsseldorf, Köln, Bonn, Hamm, Hagen, Witten und Unna.
Nach außen gab und gibt sich PEGIDA zurückhaltend und bürgerlich. Offiziell distanziert man sich von Rechtsextremismus und Rassismus. Die wenigen inhaltlichen Aussagen sind bewusst so gehalten, dass sie anschlussfähig an die Haltungen eines breiten Publikums sind. Genau deshalb laufen bekennende Neonazis und Rechtsextreme in den Reihen der PEGIDA-Anhänger/innen mit. In Dresden bildete sich „eine Bewegung für den Erhalt der eigenen Kultur, gegen die Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen, für härtere Maßnahmen gegen straffällige Zuwanderer, für die Abschiebung religiös radikalisierter Muslime“, freute sich die NPD.
Rechtspopulistische Ressentiments
Mit PEGIDA entstand eine Bewegung, die die rechtspopulistische Basiserzählung eines „Wir da unten“ gegen „Die da oben“ auf die Straße bringt. Die Teilnehmenden der „Spaziergänge“ eint eine Wut auf die etablierte politische Klasse und die demokratischen Parteien und Organisationen. Sie sehen sich selbst als „Normalbürger“, deren Interessen durch eine Politik zugunsten von Minderheiten vernachlässigt würden und die daher nun handeln müssten. Bei PEGIDA NRW hieß es auf der Internetseite, dass nun „die brutale antinationale Politik der Altparteien, der EU und der großen Institutionen wie Kirchen, Moslemverbänden etc. zum ersten Mal ernsthaft in Frage gestellt“ werde. Themen wie „Islamisierung“, „Asylmissbrauch“ usw. habe der Bürger zum ersten Mal wieder in seine eigenen Hände genommen.
In Parolen wie „Wir sind das Volk“ artikuliert sich bei PEGIDA nicht ein Ruf nach einer demokratischen Staatsform, sondern das Ressentiment gegen gesellschaftlich weniger privilegierte Gruppen. Entsprechende Haltungen sind in der Gesellschaft weit verbreitet – wie repräsentative Studien (beispielsweise der Universität Bielefeld oder der Universität Leipzig) immer wieder aufs Neue zeigen. Nach diesen Untersuchungen gibt es aktuell in Deutschland zwar weniger Menschen mit einem geschlossen rechtsextremen Weltbild als noch vor einigen Jahren und auch die Zustimmung zu einem „allgemeinen Rassismus“ hat abgenommen. Zugenommen haben jedoch die Abwertung gegenüber bestimmten Gruppen, wie Asylbewerbern, Muslimen oder Sinti und Roma. Sie werden als Bedrohung des Wohlstandes, der Sicherheit oder der Identität eines imaginierten „Wir“ gesehen.
Gegen Muslime und Flüchtlinge
„Gegen Islamismus, für Heimatschutz“: Dieser Slogan taucht in Dresden, beispielsweise auf Plakaten, immer wieder auf. Dabei gibt es in Sachsen kaum Muslime – und noch weniger Islamisten. Forciert durch die Berichterstattungen über Verbrechen des IS oder andere islamistische Gewalttaten, wurde das Thema auf die Agenda gesetzt. Dabei geht es nicht um eine tiefere Auseinandersetzung mit einem (unzweifelhaft existierenden) Problem; der Begriff des „Islamismus“ oder des „Salafismus“ dient bei PEGIDA vielmehr als Chiffre gegen eine von Einwanderung geprägte Gesellschaft.
PEGIDA sei für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, heißt es in einem Positionspapier, mit dem man sich u.a. gegen den Vorwurf des Rassismus zur Wehr setzen möchte. Allerdings lehne er „Wirtschaftsflüchtlinge, die das deutsche Sozialsystem ausnützten“ ab, so PEGIDA-Kopf Lutz Bachmann gegenüber der New York Times. Auf Demonstrationen sprach er von armen Rentnern, die in unbeheizten Wohnungen säßen, während „Asylbewerber in luxuriös ausgestatteten Unterkünften lebten“. Ähnlich äußerten sich auch andere Redner/innen auf PEGIDA-Veranstaltungen. Den nach Deutschland Geflüchteten wird nicht nur pauschalisierend Kriminalität unterstellt, sondern sie werden entgegen aller Realitäten auch zu einer Bedrohung des Wohlstandes und des deutschen Sozialsystems stilisiert.
Weitaus deutlicher äußern sich die PEGIDA-Anhänger/innen auf den Demonstrationen oder in den sozialen Netzwerken. Beispielhaft schildert ein Mann in einem Panorama-Beitrag seine Beweggründe: „Dass ich gegen die Ausländer bin, dass so viele hier reinkommen. Das ist mein Grund, warum ich hier bin und die kriegen einen Haufen Geld.“ Oder auf der Facebook-Seite des bayerischen Ablegers BAGIDA, wo in Kommentaren auf einen Beitrag zur Räumung eines Flüchtlingscamps in München die Flüchtlinge Tieren gleichgesetzt wurden; in anderen Kommentaren wurde gewünscht, sie mögen doch verdursten und sogar Morddrohungen wurden ausgesprochen („MG‘S Feuer frei u. Ruhe ist.“).
Feindbild „Genderismus“ und „Lügenpresse“
„PEGIDA ist GEGEN dieses wahnwitzige‚ Gender Mainstreaming‘, auch oft ‚Genderisierung‘ genannt, die nahezu schon zwanghafte, politisch korrekte Geschlechtsneutralisierung unserer Sprache!“, so heißt es im Positionspapier der Patriotischen Europäer. Der Begriff „Genderismus“ oder „Genderisierung“ stammt von neurechter Seite und findet heute Verwendung bei christlich-fundamentalistischen „Lebensschützer/innen“, reaktionären Männerrechtlern, Antifeministen, Rechtspopulist/innen oder auch bei Neonazis. Verhandelt wird eine Themenpalette vom Umgang mit Homosexualität bis hin zur Familienpolitik. Bei PEGIDA geht es nicht nur um Sprache und die vermeintliche Diktatur des politisch Korrekten, die die Bedürfnisse des als normativ gesetzten „Normalbürgers“ ihren Zwängen unterwirft. Dahinter steht immer eine Vorstellung von dem, wie eine „richtige“ Frau und ein „richtiger“ Mann zu sein und zu leben habe. Der Kampf gegen den „Genderismus“ geht damit auch mit der Ablehnung pluralisierter Lebensentwürfe in modernen Gesellschaften einher.
Die ressentimentgeladenen Stimmungen, die bei PEGIDA zusammenfinden, drücken sich nicht zuletzt in der Ablehnung der Medien aus. Sie werden als Teil der als dekadent geltenden kulturellen und politischen Elite wahrgenommen. Lutz Bachmann steht kaum für Interviews zur Verfügung, lediglich der BILD-Zeitung oder der rechtslastigen Wochenzeitung ‘Junge Freiheit‘ (und wenigen anderen Ausnahmen) gewährt er Gespräche. „Keine Parolen, keine Interviews“, so lautet die Devise auf den Demonstrationen. Dabei werden nicht nur Gespräche mit Journalist/innen abgeblockt, in Bonn wurde auch versucht, die Presse von den Demonstrationen ganz auszuschließen (was bei einer öffentlichen Veranstaltung nicht möglich ist). Teilweise werden Medienvertreter/innen auf Demonstrationen beschimpft, es wird ihnen auch schon mal Gewalt angedroht. Die Diskreditierung der „vierten Gewalt“ als „Lügenpresse“ zeigt bei vielen PEGIDA-Anhänger/innen nicht nur die Aversion gegen die Mainstream-Medien, sondern ist auch Ausdruck einer antidemokratischen Haltung.
Pegida NRW
PEGIDA steht nicht nur für antipluralistische und rassistische Inhalte, im Rheinland stammen auch die Personen hinter der Organisation aus dem Spektrum der organisierten Rechten. Hier fand die erste Aktion in Düsseldorf statt. Für den 8. Dezember 2014 wurde über Facebook zu einer Kundgebung mit Spaziergang vor dem Landtag aufgerufen. Anfangs waren gleich zwei Veranstaltungen angemeldet, eine von Ferdinand Gerlach, dem Landesvorsitzenden der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“, eine andere von Alexander Heumann, Sprecher der „Patriotischen Plattform“, einem rechtslastigen Zusammenschluss innerhalb der „Alternative für Deutschland“ (AfD). Als Begründung für die zweite Anmeldung hieß es, Gerlach habe „die Veranstaltung vom 08.12.14 ohne unser Wissen als Partei-Veranstaltung vermarktet und angemeldet“. „Düsseldorf gegen die Islamisierung Deutschlands“ (DÜGIDA) wolle hingegen eine überparteiliche Veranstaltung.
Am Abend selbst zeigte sich schnell, wer zum „Orga-Team“ von Pegida NRW gehören dürfte: Sebastian Nobile, ehemals Aktivist der „Sektion Köln“ der „German Defense League“ (GDL), bis er dann zur „Identitären Bewegung“ (IB) wechselte, trat als Versammlungsleiter auf. Melanie Dittmer, zwischenzeitlich Beisitzerin im Vorstand von „Pro NRW“, fotografierte, organisierte und warb für die von ihr angemeldete Folgeveranstaltung in Bonn. Heumann, Anmelder der Veranstaltung, verspätete sich, weshalb seine „Begrüßungsrede“ auf nach dem Spaziergang geschoben wurde.
An der Düsseldorfer Veranstaltung beteiligten sich etwa 450 Personen. Parolen, die von extrem rechten Versammlungen bekannt sind, dominierten immer wieder akustisch. Auch das „Ahu“ der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) erklang häufiger. Neben einigen Mitgliedern von „Pro NRW“ waren auch zahlreiche bekannte Neonazis der Partei „Die Rechte“ anwesend, darunter eine größere Gruppe aus Dortmund. Diese störten sich erwartungsgemäß nicht an der angeblichen Distanzierung seitens der Veranstaltenden: „Wir wünschen keine Beteiligung von Rechtsextremen oder Rassisten und wir lehnen jeglichen Extremismus ab, zuallererst den islamischen Extremismus, der neben dem Linksextremismus aus unserer Sicht eines der größten aktuellen Probleme in diesem Land darstellt.“
Alexander Heumann
Heumann ist Rechtsanwalt für Familien- und Erbrecht und hat seine Kanzlei in Düsseldorf. Spezialisiert habe er sich auf Trennung und Scheidung und engagiere „sich als einer der Vorreiter in Deutschland für das Recht der Kinder auf beide Eltern und für das Recht beider Eltern, ihre Kinder zu sehen“, ist auf seiner Homepage zu lesen.
Darüber hinaus ist er Mitglied der AfD, für die er bei der Kommunalwahl 2014 als Kandidat in Düsseldorf antrat. Maßgeblich von ihm mitbegründet wurde der NRW-Ableger der „Patriotischen Plattform“. In seiner Rede bei der Gründungsveranstaltung wetterte er gegen „niederträchtigen anti-weißen Rassismus”, ein drohendes „deutsches Scharia-Kalifat” und eine „durchgegenderte Welt”. Erwartungsgemäß wurde er zum Vorsitzenden gewählt, seine Frau Angela Heumann zur Stellvertreterin.
Weiterhin ist Heumann Vorstandsmitglied der rechtspopulistischen „Bürgerbewegung Pax Europa e.V.“ (BPE) und Gastautor des Magazins „Compact“ von Jürgen Elsässer. Hier veröffentlichte Heumann einen Artikel mit dem Titel „Wir reiten mit Kamelen durch Berlin“ – Pirincci, Sarrazin, Eva Herman und die Folgen“, in dem er über das Ausbleiben einer sachlichen Debatte über die von den in der Überschrift genannten vertretenen Inhalte klagt und Europa durch EU-Bürokratie und -Politik sowie durch „Wahabiten aus Katar“ und „Islam-/Türkeiverbände“, die sich bereit machten „den maroden Laden zu übernehmen“, in existenzieller Gefahr sieht.
Auch für die „Hooligans gegen Salafisten“ konnte Heumann sich begeistern. Bei der Kundgebung in Hannover im November 2014 trat er als Redner auf und erklärte die Anwesenden zu den zukünftigen Rettern der Freiheit und Verhinderern des Weltuntergangs. Zu den HoGeSa-Ausschreitungen vom 26.10.2014 in Köln hat er einen „Außerparlamentarischen Untersuchungsausschuss“ eingerichtet, weil er der Meinung ist, die Öffentlichkeit dürfe „weder durch Rundfunk und Fernsehen, noch von der Polizeiführung oder den Beteiligten beliebig manipuliert werden“.
Am 29. Dezember 2014 verkündete Heumann, dass er seine Mitarbeit bei Pegida NRW einstelle. Nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub habe er in einem Interview gesehen, wie der Holocaust von seiner Mitstreiterin Melanie Dittmer (s.u.) „kaltschnäuzig relativiert, wenn nicht sogar öffentlich insgesamt in Frage gestellt“ wurde. Diese Einstellung widerspreche seinem Verständnis von PEGIDA. Außerdem sehe er den überparteilichen Charakter des Zusammenschlusses gefährdet, da „mit Frau Dittmer auch erstmals eine Parteifunktionärin zum Pressesprecher und Mitorganisator in exponierter Stellung gemacht werden soll“. Seine Frau werde die Anmeldung der Folgeveranstaltung in Düsseldorf zurückziehen, er selbst „per sofort und bis auf Weiteres in aller Form von einer weiteren Mitverantwortung für Versammlungen in NRW, die unter einem solchen Unstern stehen, Abstand“ nehmen.
BOGIDA
Den Ereignissen in Köln folgend standen dann Pegida NRW-Veranstaltungen in Bonn auf dem Programm: BOGIDA („Bonn gegen die Islamisierung des Abendlandes“). Diese wurden von Melanie Dittmer angemeldet.
Zur ersten BOGIDA-Veranstaltung am 15. Dezember 2014 kamen etwa 250 Personen, der geplante Spaziergang wurde durch Blockaden von Gegendemonstrant/innen verhindert. Die Kundgebung begann mit einer Lesung des „Überraschungsgastes“ Akif Pirinçci aus seinem Buch „Deutschland von Sinnen: Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“. Es folgten Redebeiträge von Dittmer, dem Bonner „Pro NRW“-Stadtratsabgeordneten Christopher von Mengersen, dem „politically incorrect“-Autor Michael Mannheimer (aka Karl-Michael Merkle), „Maria“, „Gründerin“ von „LaGeSa – Ladies gegen Salafisten“, sowie Sebastian Nobile, der abschließend „Die Gedanken sind frei“ trällerte.
Am 22. Dezember folgten dann etwa 300 Personen dem Aufruf zur zweiten Versammlung nach Bonn. Als „Starredner“ war der rechtspopulistische Publizist Udo Ulfkotte geladen. Weiterhin sprachen der „systemische Therapeut und Astrologe“ Paul Pawlowski aus Bonn, Tony-Xaver Fiedler, stellvertretender Vorsitzender von „Pro Köln“, sowie erneut Dittmer und Nobile. Diesmal konnte der Spaziergang stattfinden, wurde jedoch von lautstarkem Protest begleitet. Zum Abschluss wurden Weihnachtslieder gesungen.
Melanie Dittmer
Dittmer baut aktuell die „Identitäre Bewegung“ im Rheinland auf und war zwischenzeitlich Beisitzerin im Vorstand von „Pro NRW“. Bis etwa 2000 war sie eine umtriebige Aktivistin der Neonazi-Szene in NRW: sie war „Kreisbeauftragte Dorsten“ der Partei „Deutsche Nationalisten” und Landesvorstandsmitglied und „Stützpunktleiterin“ Dortmund der „Jungen Nationaldemokraten“. Sie schrieb für verschiedene Blättchen der extremen Rechten, machte auch einen kurzen Ausflug ins RechtsRock-Business. Bis 2012 verschwand sie von der Bildfläche, tauchte dann aber als Fotografin bei extrem rechten Veranstaltungen auf. Zuerst bei „Pro NRW“, ab 2014 auch bei Veranstaltungen der neonazistischen Szene. Mit einzelnen Neonazis pflegt sie regen Kontakt bzw. Freundschaften. Von ihrer Vergangenheit spricht sie auch immer wieder in ihren Redebeiträgen. Verschiedene Organisationszugehörigkeiten betrachtet sie als abgehakt, von Distanzierung jedoch keine Spur. Für Aufsehen sorgte im Dezember 2014 ein Interview, in dem sie gegenüber Spiegel TV sagte: „Für mich ist es auch völlig unerheblich – ganz ehrlich -, ob es den Holocaust gegeben hat oder nicht.“.
Sebastian Nobile
Sebastian Nobile war schon bei verschiedensten rechtspopulistischen Organisationen aktiv, von der „German Defense League“ (GDL) über „pro NRW“ und „pro Deutschland“ bis zur „Identitären Bewegung“. Bis März 2013 war er bei der GDL, einer antimuslimischen, rechtspopulistischen Gruppierung. Für deren „Division Köln“ organisierte er Veranstaltungen, hielt Redebeiträge und kooperierte eng mit „pro NRW“. Mit einem „Marsch der Patrioten“ in Köln wollte die GDL im August 2012 eine Einheit im rechtspopulistischen Lager schaffen, es erschienen jedoch lediglich 50 Teilnehmende.
Im März 2013 verkündete Nobile seinen Abschied von der GDL: „Bin ab sofort nicht mehr in der German Defence League. Bitte keine Anfragen mehr an mich bezüglich der Gruppe (…). Ich identifiziere mich immer weniger mit der Gruppe, sympathisiere mehr mit den Identitären und noch einige andere Gründe. Das heißt nicht, dass ich die GDL schlecht finde, aber jeder hat seinen Platz. Ich unterstütze die GDL aber gerne weiter, das Ziel ist ja das Gleiche.“
Zur Bundestagswahl 2013 stand Nobile für „pro Deutschland“ auf Platz zwei der saarländischen Landesliste. Nobile ist regelmäßiger Autor des rechtspopulistischen Portals „politically incorrect“. Im September 2013 verkündete er die Gründung einer „Bürgerwehr“ in Köln. Dazu gebracht habe ihn „die Tatsache, dass Politik, Medien und dann in der Folge auch die Polizei die Menschen in diesem Land irgendwo alleine lassen, also ihr eigenes Volk verraten.“
Jetzt scheint Nobile mit Pegida NRW ein neues Betätigungsfeld gefunden zu haben. Er fungiert nicht nur als Redner, sondern auch als Anmelder der Kölner Versammlung am 5. Januar. Auch die zweite Veranstaltung in Düsseldorf hatte er angemeldet. Da sich Alexander Heumann jedoch beschwerte, er wolle in der eigenen Stadt ein Mitspracherecht, übergab Nobile die Anmeldung an Angela Heumann.
KÖGIDA
KÖGIDA mobilisierte für den 5. Januar 2015 zu Kundgebung und Spaziergang nach Köln. Die Veranstaltung wurde seit Dezember 2014 bei Facebook angekündigt. Zuerst hieß es, nur, wenn die entsprechende Seite 1.000 „Likes“ erhalten habe, werde man eine Demonstration in Köln anmelden. Da dies jedoch anscheinend nicht so schnell ging, wie man erwartet hatte, wurden die Pläne schon lange vor Erreichen der gesetzten Zielmarke konkretisiert und die Veranstaltung angemeldet. Bis zur Löschung der Veranstaltungsseite bei Facebook am 30. Dezember zählte die Seite etwa 600 Zusagen. Ein Blick in die Profile derer, die zusagten, zeigte viel HoGeSa-Symbolik und Fußball-Affinitäten. Kurz darauf wurde die Veranstaltung neu angelegt.. Als Anmelder fungierte Sebastian Nobile.
Parallel zur Veranstaltung rief Pegida NRW bei Facebook dazu auf, überall in NRW „Flagge zu zeigen“ aus Solidarität mit KÖGIDA: „Wir hängen wie bei der WM unsere Deutschland Fahnen in unser Fenster, Auto, empfehlenswert bei Schnee Deutschland-Schal, -Mütze.“ Diese Aufforderung traf nur auf wenig Resonanz: lediglich 100 Menschen wollten sich beteiligen.
Knapp 300 Personen kamen am 05.01.2015 zur besagten Kundgebung von KÖGIDA. Aufgrund des Gegenprotestes von tausenden Demonstranten*innen fiel der „Spaziergang“ aus. Diese Niederlage scheint die bereits bestehenden Konflikte im Orga-Team von KÖGIDA so verstärkt zu haben, dass es im Anschluss zu einer Spaltung kam.
Daher fanden seit dem 08.01.2015 regelmäßig Veranstaltungen in Düsseldorf statt, die von Dittmer und Aktivisten von „Pro NRW“, sowie Manuela Eschert (Infidels, „Die Rechte“ Rhein-Erft) organisiert wurden. Ebenfalls werden in Duisburg bis heute, die der Rest des „Orga-Teams“ ausrichtete, Veranstaltungen organisiert. Von PEGIDA Dresden „autorisiert“ sind bis lang nur die Aktivitäten in Duisburg.
KÖGIDA II, 14. Januar 2015: Den grausamen islamistischen Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ am 7.Januar nahm der Kreis um Dittmer zum Anlass, wöchentliche Kundgebungen mittwochs in Köln anzukündigen. Zur ersten kamen am 14.Januar etwa 120 Personen, darunter einige Neonazis und „Pro NRW“ Anhänger/innen. Auch aus dem Spektrum der „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) war mobilisiert worden, entsprechend war auch eine größere Gruppe im HoGeSa-Outfit vertreten. Die Stimmung war äußerst aggressiv, Presse Vertreter/innen wurden mehrfach angegangen. Bei der Auftaktkundgebung vor dem Hauptbahnhof hielten neben Dittmer die „Pro NRW“ler Markus Wiener und ToniXaver Fiedler Redebeiträge. Der „Spaziergang“ führte lediglich bis zur Komödienstraße und zurück, war jedoch stark durch die HoGeSa Aktivist/innen und neonazistische Parolen geprägt. Während im Vorfeld berichtet wurde, die Versammlung sei von Sonja Pufal angemeldet worden, gab sich ihr Mann und „Pro NRW“ler Bastian Pufal als Anmelder aus.
KÖGIDA III, 21. Januar 2015: Am zweiten Mittwochstermin kamen nur noch etwa 80 Personen zu KÖGIDA-Kundgebung an den Kölner Hauptbahnhof. Wieder dominierten HoGeSa Anhänger/innen und Neonazis optisch und durch Parolen akustisch, die Redebeiträge kamen von „Pro NRW“ bzw. „Pro Köln“: Neben Dittmer, Wiener und Fiedler traten nun auch Christopher von Mengersen und Dominik Roeseler (beide „Pro NRW“) ans Mikro. Nach einem kurzen „Spaziergang“ kamen nicht alle Teilnehmenden wieder mit zum Bahnhof. Eine größere Gruppe HoGeSa Anhänger/innen begab sich stattdessen in eine nahegelegene Kneipe. Bereits vor Kundgebungsbeginn waren laut Polizeimeldungen sechs Personen in Gewahrsam genommen wurden, da sie eine „verbotene Bewaffnung“ mitführten.
KÖGIDA IV, 28. Januar 2015: Im Vorfeld der für den 28. Januar geplanten Versammlung versuchte Dittmer, das Image der Veranstaltung zu retten und rief ihre Anhänger/innen zur Ordnung: „Wir sind das Volk und das wollen wir auch artikulieren“, schrieb sie und untersagte bisher beliebte Parolen wie „linkes Gezeter – 9 Millimeter“. Auch Waffen solle man zuhause lassen, merkte sie an. Außerdem versprach sie, die Reden zu straffen, wohl um nicht wieder einen so großen Teil der Teilnehmenden an eine Kneipe zu verlieren. Die Kundgebung sagte Dittmer dann jedoch kurzfristig ab, da ein Teil des Orga-Teams erkrankt sei. Einen Tag später erklärte sie KÖGIDA dann für komplett beendet. Die Belastung für die Teilnehmer/innen sei zu hoch, man wolle sich zukünftig ganz auf die Veranstaltung montags in Düsseldorf konzentrieren. Das sei die Landeshauptstadt und für die Anreisenden aus dem Ruhrgebiet besser erreichbar. Trotz der Absage versammelten sich mehrere Angehörige der rechten Szene in Hauptbahnhofsnähe. Die Polizei nahm acht Personen in Gewahrsam. Nach Auskunft der Internetzeitung report-k wurden aus der Gruppe heraus zwei schwarze französische Touristen mit einer Bierflasche beworfen. Die Polizei ermittelt wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Die acht in Gewahrsam genommenen hätten bei ihrer Festnahme mitgeteilt, die KÖGIDA Veranstaltung besuchen zu wollen, so report-k.
Heterogenes Publikum
Bei den bisherigen Pegida NRW-Veranstaltungen war immer ein sehr heterogenes Spektrum zugegen. „Pro NRW“ war vertreten, die „Republikaner“, Autoren/innen von „politically incorrect“, Hooligans aber auch zahlreiche Neonazis. An der ersten BOGIDA-Veranstaltung nahm beispielsweise ein großer Teil des ehemaligen „Aktionsbüros Mittelrhein“ teil, dessen Mitglieder sich zur Zeit vor dem Landgericht Koblenz wegen „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ verantworten müssen; bei der zweiten Veranstaltung war eine Gruppe mit Transparent der „Saarländer gegen Salafisten“ anwesend, bei der sich mit Christian Hehl und Sascha Wagner zwei langjährige Neonazi-Kader befanden. Stets waren Aktivisten/innen der Partei „Die Rechte“ dabei, deren Gliederungen auch fleißig zu den Veranstaltungen mobilisierten. Dennoch waren ein Teil der Anwesenden auch Menschen, die bislang nicht in den einzelnen Spektren der extremen Rechten aufgetaucht waren – die „ganz normalen Bürger/innen“ eben.